In den vorangehenden Blogeinträgen haben wir diverse Projekte aus unterschiedlichen Bereichen vorgestellt. In diesem Blogeintrag möchten wir nun auf potentielle Risiken und Gefahren von Smart Cities hinweisen.
Auslagerung öffentlicher Aufgaben an Privatunternehmen:
Der Unterhalt und die Betreuung städtischer Infrastrukturen werden vermehrt in die Hände privater Firmen gegeben. Damit geraten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in private Hände. Private Firmen sind in erster Linie gewinnorientiert und unterstehen keinem Versorgungs- oder Unterhaltsauftrag gegenüber der Bevölkerung. Damit können sie auch gegen die Interessen der Bevölkerung und der Gesellschaft handeln.
Datenschutz und Privatsphäre:
Daten werden heute weniger für einen bestimmten Zweck erhoben, sondern sie werden für das Funktionieren zahlloser Dienste vorausgesetzt. Je mehr Daten verfügbar sind, je mehr sie sich in Beziehung setzen lassen, desto genauer sind die Berechnungen und die Aussagen über die Menschen dahinter, so lautet das Versprechen der Big-Data-Bewegung. Intelligente Verknüpfungen erlauben das Finden verborgener Zusammenhänge. Damit ist das Recht jedes Menschen auf ein unbeobachtetes Leben, auf ein Privatleben, in Gefahr. Damit wird auch der Satz „Ich habe nichts zu verbergen“ mehr und mehr zu einer Illusion. Dabei ist die die grosse Gefahr nicht unbedingt einmal das Datensammeln an sich, sondern wie die Daten interpretiert und welche Schlüsse daraus gezogen werden. Behörden nutzen Big Data hauptsächlich zur automatisierten Analyse öffentlichen Verhaltens nach verdächtigen Vorfällen und das Treffen von Verdachtsannahmen. Dabei gilt: Fast jeder ist verdächtig. Untenstehende Grafik ist ein Beispiel für solche Verdachtsannahmen:
Quelle: http://media.arbeiterkammer.at/PDF/AK_Stadt_Nr_1_2014.pdf
Private Unternehmen hingegen sind mehr daran interessiert, Beziehungs- und Kontaktnetzwerke, die geheimen Wünsche und Sehnsüchte, Vorurteile und Klischees aufzudecken. Klar ist: Durch die Umsetzung von Smart Cities-Konzepten werden noch mehr Datenströme generiert werden. Generell sind Fragen der Datensicherheit und der Schutz der Privatsphäre nicht geklärt. Hier wäre für die EU eine „Grundrechtecharta der Informationsgesellschaft“ erforderlich, welche beispielsweise das „Recht auf unversehrte persönliche Informationsinfrastruktur“, der „Schutz vor willkürlichen Datenverknüpfungen“ oder das „Recht auf Entsorgung von Information“ („Recht auf Vergessen werden“) verankert. Für die Schweiz müsste ebenfalls geprüft werden, wie diese Persönlichkeitsrechte verankert werden könnten. Solange diese offenen Fragen und Probleme nicht gelöst sind, sind Smart Cities ein perfektes Instrument zur Massenüberwachung.
Aufzwingen von Smart Cities-Konzepten:
Zudem zwingen Städte ihre Smart Cities-Konzepte dem Bürger quasi auf, egal ob er daran teilnehmen will oder nicht, denn Alternativen werden nicht vorhanden sein. Sonst bleibt ihm nur noch die Möglichkeit, wegzuziehen. Damit wird das Recht auf Privatautonomie eingeschränkt.
Systemanfälligkeit und Abhängigkeit:
Städte und ihre Infrastruktur gehören auch ohne Vernetzung zu den komplexesten Strukturen und sind damit per se anfällig für Ausfälle und Störungen. Durch die Vernetzung der Städte und ihrer Infrastruktur mit Informationsverarbeitungsprozessen wird die Komplexitität dieses Systems noch massiv zu nehmen. Es wird unvermeidbar eine grosse Anzahl neuer Bugs entstehen und es werden unvorhersehbare Wechselwirkungen eintreten. Vernetzte Systeme sind starr und anfällig für Fehler, Sabotage, unbefugten Zugriff, Ausfälle und vermehrtes Auftreten von Sicherheitslücken. Zwischenfälle werden grössere Auswirkungen nach sich ziehen. Besonders problematisch ist der Ausfall kritischer Infrastrukturen wie z.B. Energieversorgung, Rettungsdiensteinsatz oder Krankenhäusern. Zudem macht die zentralisierte Vernetzung Smart Cities anfällig für Angriffe von Hackern und Terroristen. Dazu ein Zitat von Sandro Gaycken, Experte für Cyber-Sicherheit, FU Berlin: „Zentralität ist immer interessant für potenzielle Angreifer oder auch für Unfälle. Im schlimmsten Fall könnte man mit einem Klick eine ganze Smart City ausschalten.“ In Smart Cities wird vermehrt die biometrische Authentifizierung zum Einsatz kommen. Dabei werden individuelle physische Merkmale erfasst , um die Identität von Personen zu bestimmen. Damit kann dann z.B. schlüssellos der Zugriff zu Gebäuden geregelt werden. So wird z.B. beim Betreten eines Gebäudes die Retina gescannt und an ein entferntes Datenzentrum geschickt, wo der Scan mit den persönlichen Daten abgeglichen wird, bevor der Zugang gewährt wird. Nehmen wir an, es kommt zu einem Totalabsturz, dann kann kein einziger Bürger mehr sein eigenes Haus/Wohnung betreten.
„Dumme“ Bürger:
Menschen könnten das Denken verlernen, wenn ihnen die Technik zu viel an Aufgaben abnimmt oder sie sich nur noch von Technik leiten lassen, ohne ihren gesunden Menschenverstand zu nutzen. Das wiederum ist dann eine Gefahr für die Demokratie, die auf der Mündigkeit von Bürgern aufbaut und zweitens weil sich so auch eine Gleichschaltung der Bürger ermöglichen lässt.
Sehr lesenswert ist folgender Auszug aus dem Buch “Smart Cities: Big Data, Civic Hackers, and the Quest for a New Utopia” von Anthony Townsend.